in leibnitz geboren. 4 lehr- und 2 arbeitsjahre als lithograph, daneben besuch der steirischen kunstschule als schüler von professor alfred von schroetter-kristelli. 1910-1914 akademie der bildenden künste in wien, als meisterschüler professor schmutzers. 1923 gründet er zusammen mit wilhelm thöny, alfred wickenburg, hans wagula, hans mauracher und hans zotter die grazer sezession. 1928 wird er Professor an der steiermärkischen landeskunstschule, 1939 leiter der meisterklasse für malerei an der kunstgewerbeschule graz und 1942 nachfolger wickenburgs als leiter der meisterklasse für freskomalerei. daneben wirkt er an der technischen hochschule graz als honorardozent. werke in privatbesitz, in der albertina, im belvedere, im landesmuseum joanneum, neue galerie, sackstraße, in öffentlichen ämtern und instituten, an kirchen, kriegerdenkmälern und schulen.
20 Jahre Künstlerhaus, 1972
Die Kunst des Malers Fritz Silberbauer, der heute in prächtiger Rüstigkeit seinen 80. Geburtstag feiert, ist durch die große Stilbewegung, die zu Beginn diese Jahrhunderts die Gemüter erfaßte, determiniert, auch wenn sich die Aussage des Meisters im Ablauf der individuellen Entwicklung naturgemäß immer persönlicher und unabhängiger gestaltet hat. Es ist die feine, elegante und übersensible Kunst der Wölbung und Fläche, der Linie und Kurve, die das Gefühl, die schwingende Stimmung des Menschlichen in jenes zarte Bildgerüst verwandelt, das wie ein Harfenton aus den Tagen des Jugendstils in unser turbulentes, motorische Zeitalter herüberklingt. Wer diesen steirischen Künstler wirklich verstehen will, muß sich die geistige Situation vergegewärtigen, aus der sein Werk den Ausgang genommen hat. Die impressionistische Bannung des Augenblicklichen wird damals gerade überwunden, der Maler strebt wieder zu großflächiger Sammlung und Einheitlichkeit der Idee. Die graphischen Künste gewinnen an Bedeutung, der Illustration werden neue Aufgaben gestellt. Man liebt die geistreiche Führung der Umrisse, schräge, originelle Sichten, prickelnde Reize der Negativformen und spannende Relation zwischen den scherenschnittartigen Figuren. Alles Tatsächliche schlägt in Symbolisches über. Weiche, fließende Schatten durchwehen den Rhythmus der Fläche. Das Literarische, Sentimentale ist nicht mehr vermieden. Schwelgerische Visionen werden in Klimts Manier über Schmuckflächen hingekritzelt, Dissonanzen als Stimulantia des ästhetischen Genusses in den harmonischen Fluß der Lineamente und Bildeben eingebaut. Eros und Tod sind die Themen, die als elegische Minnelieder und Legenden zum Vortrag gelangen. Es ist die von Jugendschwermut erfüllte Poesie, die im Wortprunk des frühen Hofmannsthal ihren Gipfel erreicht, die Silberbauer in seiner Bildfolge Der Tor und der Tod
eine charakteristische graphische Huldigung erwiesen hat.
Fritz Silberbauers Kunst ist aus antiklassischen und antrationalistischen Tendenzen entstanden. Sie hat aber auch ihre akademische Disziplin nie verleugnet. Ihre Sentimität ist eine bewußte Auflehnung gegen die seelenlose Routine und das konvetionelle Arangement. Sie ist aber auch eine Kunst, die den Wirklichkeitssinn nicht verloren hat und oft die Realität mit dem Irrationalen in sehr gewagter Weise vermischt und verbindet. Der hochentwickelten Stilisierung der Linie entspricht esoterische Differenzierung der Farb- und Tonstufen, eine Morbidität der Valeurs, die sich in raffinierten Brechungen aneinanderreihen. Die blasse, ja körperlose Qualität der Farbe versinnbildlicht treffend den Schwebezustand zwischen Diesseitigkeit und Jenseitigkeit, zwischen Daseins-Sinnlichkeit und Todessehnsucht, des Transzendierende, Hinüberschreitende und Hinübergreifende, das als wesendliches Bildereignis im Schaffen Fritz Silberbauers bezeichnet werden muß. Es ist nicht Rommantik im herkömmlichen Sinne, was ihn bewegt, wohl aber jene umgewertete Romantik, die Baudelaire einen himmlischen oder teuflischen Segen genannt hat, dem wir ewige Wundmale verdanken. Man spürt die Verrätselung der Umwelt, die Entfremdung der sichtbaren Dinge. Das Raumgefühl verliert sich ins Ungewisse, das Perspektivische bewegt sich nur auf der Domestikentreppe, Bewegungselemente sind luftige Gesten ohne formales Prinzip. Alle Spannung wird der Beziehung der Flächen und der Konturierung des Figuralen anvertraut. Dieses Gesetz ist fundamental und behauptet sich siegreich durch alle Phasen der künstlerischen Evolution.
Die Herkunft vom Jugendstil bedeutet bei Silberbauer nicht Herkunft vom Kunstgewerbe. Die Malereides steirischen Meisters war nie Gebrauchsgut und hat sich immer ihre freie Idealität bewahrt. Silberbauer gehört zu den Idealisten der zeitgenössischen Kunst, die, wie Werner Haftmann sich ausdrückt, an ein abstraktes Material geraten sind, dem sie sich unverzüglich ergeben haben. Er kennt die psychische Wirkung organisierter Linenzüge und ist mit seinem abstrahierenden Linienstil nicht nur als Vorläufer der Moderne in unserem Land, sondern auch heute noch als einer ihrer wesentlichen Vertreter anzusehen, da er die ornamente Schmuckform der Frühzeit in manchem bedeutenden Alterswerk verwandelt aufnimmt und in die abstrakte Bildarchitektur der Gegenwart hinüberleitet.
In Silberbauers Werk werden die Wege der Kunst der letzten fünfzig Jahre sichtbar, die Wege vom gegenstandslosen Ornament zur reinen schönen Form der nichts bedeutenden Linie
, welche Muthesius schon im Jahre 1899 als die Losung der Kunst der Zukunft gepriesen hat. Das Schaffen unseres Künstlers vollzog sich in der Epoche, in der die Phantasieformen ihren Sieg über das Dingliche in der Natur davongetragen hat. Die Ahnungen und Sehnsüchte dieser Jahrzehnte finden im Oeuvre Fritz Silberbauers ihr sehr getreues Spiegelbild. Er hat ohne Pathetik, aber mit großer Wahrhaftigkeit das Lebensgefühl seiner Generation gestaltet. Er hat die großen Umwälzungen in Europa nicht mit konservativer Halsstarrigkeit abgewehrt, sondern immer zu den verjüngten Gestaltformen des Daseins bekannt. Und er hat mitgeholfen, unser Land vor geistiger Isolierung zu bewahren, was ihm die Hochachtung der Jugend bis auf den heutigen Tag verbürgt.
Fritz Silberbauer wurde am 4. April 1883 in Leibnitz geboren. Seine Ausbildung erhielt er in der Landeskunstschule in Graz und 1910 bis 1914 an der Wiener Akademie der bildenden Künste, wo er die von Ferdinand Schmutzer geleitete Meiserklasse absolvierte. Als Mitbegründer der Sezession Graz
, der er bis heute verbunden blieb, wirkte er an vielen Manifestationen dieser Künstlergruppe mit. Zahlreiche Ausstellungen im In- und Ausland und eine vielseitige Tätigkeit als Fresko- und Sgraffitomaler an öffendlichen und privaten Bauten festigten seinen Ruf. Der österreichische Staatspreis, der Julius-Reich-Preis und das österreichische Verdienstkreuz für Kunst und Wissenschaft sind die sichtbaren Zeichen einer Anerkennung, die sich der Künstler in allen Kreisen der Bevölkerung verschaffte. Fritz Gurlitts Almanach für das Jahr 1920 zählt unseren Meister zwischen Lovis Corinth, Max Slevogt, Max Liebermann, Richard Janthur und Max Pechstein als einen Künstler im Team dieses bedeutenden Berliner Verlages auf.
Die Grazer Neue Galerie ehrt nun den 80jährigen mit einer umfangreichen Schau von Werken, die einen Überblick über die verschiedenen Schaffensperioden gewähren. Frau Doktor Trude Aldrian, die Leiterin der Neuen Galerie, die sich dieser Ausstellung mit besonderer Liebe angenommen hat, kündigt auch das Erscheinen einer Monographie über den Künstler an, die eine ausführliche Würdigung seines Lebenswerkes enthalten soll.