Hans Bischoffshausen zählt zu den wichtigsten und unbequemsten Vertretern der experimentierenden europäischen Avantgarde in den 50/60er Jahren. Als unangepasster Kulturkritiker und Künstler entzieht er sich schon mit seinen frühen Arbeiten, in denen Einflüsse eines analytischen Kubismus sichtbar sind, dem Geschmack der Öffentlichkeit. B. wird in Kärnten in die Isolation gedrängt, seine Lebensumstände werden zunehmend beschwerlich. Mit seiner Übersiedlung nach Paris beginnt eine neue, fruchtbare Werksphase (B: Ich spucke Hunderte von Arbeiten aus), obwohl sich die Lebensbedingungen kaum ändern. (B: Ich rase und bin mit vielen materiellen Schwierigkeiten konfrontiert). Struktur - Monochromie - Reduktion bestimmen fortan die Arbeit und mit weiß-in-weiß angelegten Energiefeldern geht er bis an die Grenze des Sichtbaren. B. wird Mitglied der Zero-Avantgarde. (B: Ich treibe die Askese des Weiß bis zum Ende). Mit seiner Rückkehr nach Kärnten wendet sich B. vorerst von der Farbe Weiß ab. Reliefbilder in Gold und Rot entstehen. Ab 1975 setzt sich der "kulturpolitische Außenseiter", wie er sich selbst einmal bezeichnete, mit der Kreuzform auseinander. Materialbilder entstehen, die Bildflächen werden gelocht, gebrannt, die Bildinhalte auf das Wesentliche reduziert. Anfang der 80er Jahre kehrt er wieder zur Farbe Weiß zurück.
Um die Kompromisslosigkeit seiner Denkweise zu veranschaulichen, sei der folgende Text-auszug zitiert: die gegenwärtige philosophie hat, die
wahrheiten
ERFOLG und KARRIERE auch in den kunstbetrieb ausstrahlend, eine kunst der museen, der sammlungen und der galerien geboren, die, dissoziiert vom leben als ganzheit, aufgeblasen durch eitelkeit und propaganda nur noch ein schatten ihrer eigentlichen bestimmung ist.
(brot und wein - Beobachtungen und Bemerkungen zur Integration der bildenden Kunst und die Architektur; Paris, Juli/August 1965)
Ab 1996 erscheinen Bischoffshausens Tagebuchnotizen (Fred Dickermann (1949-2003) hat die Auswahl der Texte vorgenommen) im Wieser Verlag.
ausgeborgtvon Galerie Judith Walker
1927 in Kärnten geboren, lebt in Villach
4 Volks- und 5 Mittelschulen in Feld am See, Freiberg, Berlin, Wien etc... internierter Luftwaffenhelfer, RAD, Wehrmacht, Matura in Villach. Im folgenden 5-semestrigen Studium der Architektur an der TH Graz durch Professor Kurt Weber zur Malerei hingerissen, beginnt set 1947 der Sturz in die Malerei. Nach Einführung und Weg über die Impressionisten, Analythischen und Synthetischen Kubismus eröffnet sich das spielerische Geheimnis von Paul Klee. Nach Andre Malraux, logisch und wichtig für den Lehrling der Malerei, ergibt sich über viele Stationen, die Öffnung zu Lucio Fontana, dessen Teilwerk ich in Abbildungen und real ab 1956 als mein Anlieben erkenne. Über eine noch folgende Zeit fossiler und durchgeübter Materialschlachten in Asphalt, Asche, Firnis und Blech, ergibt sich der Durchstoß 1956/57/58 zur eigenen Formensprache. Inzwischen Heirat und Kinder, (jetzt 26 und 19, eines mit 13 Monaten gestorben).
Der 1. Joanneumpreis für zeitgenössische Malerei erlaubt mir 1959 den Traum, nach Paris zu gehen. In Gips und Karton bzw. Wellblech lebten wir dort unter Clochards.
Das zweite Wunder: Trotz aufreibender Gelegensarbeiten spucke ich hunderte von Arbeiten aus. schon 1961/62 bin ich in einigen Galerien vertreten, gehöre der Gruppe ZERO-AVANGARDE an und mein wichtigster Abschnitt beginnt.
Strukturforschungen in Weiß auf Weiß. Große Schwarten entstehen, sowie Hunderte, sie begleitender Papier-Sculptes. Ich treibe die Askese des WEISS bis zum Ende. Fotographen sind nicht mehr in der Lage, die letzten 20 Bilder zu fotographieren.
Ich rase und bin mit vielen materiellen Schwierigkeiten konfrontiert, der weiße Außenseiter zu bleiben. Nach 1968, kulturpolitischer Außenseiter, denke ich an ein Zuhause in Österreich. 1971 zuerst nach Wien, ab Juli 1972 wieder in Villach, brutalisiert sich meine bildnerische Arbeit infolge einer Seenervzerstörung. Von nahezu unsichtbarer Subtilität im Material, entstehen Zyklen GOLD
, KREUZ-WERDUNG 1 u. 2
und die dukumentarische Zusammenfassung der seit 1960 zwangsläufig und pararell entstandenen monumentalen Arbeiten IN- AN- und UM-Architektur.
Heutzutage denke ich an meine 50 Jahre, worin 30 Jahre Malerei liegen und spucke unaufhörlich große Graphik aus. Die Schädigung durch Polychloräthylen veranlaßte mich, das bislang verwendete Material wegzuwerfen und vorläufig eine wilde, graphische Arbeit, ohne Maske, in Unrast zu produzieren.
Energiewolken
Hans Bischoffshausen ist 59jährig in Villach gestorben. Ein Nachruf aus der Kleine Zeitung vom 23. Juni 1987
Er zählte, weil er für die Entwicklung der Kunst wichtig war, zu den Außenseitern in unserem Lande: Hans Bischoffshausen, Kärntner, Jahrgang 1927, ist (wie erst gestern bekannt wurde) am vergangenen Freitag in Villach gestorben. Sein angegriffenens Herz machte nicht mehr mit, am 2. November wäre er 60 Jahre alt geworden.
Mitte der fünfziger Jahre faszinierte den späteren Grazer Sezessionisten und Mitstreiter der Gruppe 77
die Raum- und Zeichenwelt Paul Klees. 1959 übersiedelte Bischoffshausen nach Paris, wo er bis 1971 blieb: unter dem Einfluß der flächensprengenden Raumexperimente Luciano Fontanas fand der Villacher zunehmend zu seinen bekannten meditativen Objektbildern. Er öffnete den Bildraum, aber wie im Objekt zur Erhellung der Magie
(eine Hommage à Fontana) suchte und fand der Grenzüberschreiter in der mystischen Dimension der Bildfäche seine eigentliche Aussagekraft. Einschnitte, Wölbungen, auch Brandspuren verletzten diesseitige und offenbarten jenseitige Bildräume. Er verzichtete zunehmend auf Farbe. In meist weißen, reliefartigen Licht- und Schattenbildern bildete Bichoffshausen begreifbare, architektonisch strukturierte Energiefelder aus (er studierte übrigens in Graz Architektur).
Bichoffshausens Materialschlachten
mit Papier, Blech, Gips, Asche oder Asphalt führten immer wieder zu magischen Ausdeutungen von Energie und Raum. Lyrisch-musikalische Abstraktion, rhythmische Reihung und das Hessesche Glasperlenspiel
könnten zur Beschreibung seiner reliefartigen Strukturierung, Skripturen und Montagen herangezogen werden. Er experimentierte mit Zeit und Raum, setzte die Qualität der Form ins visuelle Umfeld einer puristischen Malerei.
Bischoffshausens Energiewolken
bleiben, auch wenn sie der Großteil seiner Zeitgenossen weniger gesehen, vielleicht aber doch gespürt hat.