Sezession Graz

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Richard Rubinig
1914 - 1992

In Leibnitz geboren, besuchte er das Stiftsgymnasium St. Paul und wurde dort auch von Switbert Lobisser gefördert, machte die Bekanntschaft von Robert Musil und studierte dann in Wien, Camerino und Rom die Rechte, Germanistik und Kunstwissenschaft. In vielen Zeitschriften veröffentlichte er Essays über Literatur und Malerei, übersetzte italienische und spanische Lyrik u. a. 1936 in Berlin Gedichte von Lorca. Er hatte Kontakte mit den italienischen Malern Carlo Carrà (1881 - 1966), Massimo Campigli (1895 - 1971), Giorgio de Chirico (1888 - 1978) sowie Lionello Venturi (1885 - 1961) und arbeitete nach dem Krieg als Notar in Voitsberg. Als Mitglied und langjähriger Vizepräsident der Sezession schrieb er viele Kunstkritiken für Zeitungen und den Rundfunk und war Verfasser von Monografien bekannter Künstler.

aus dem Katalog 70 jahre sezession graz, 1993
Portrait

 

Richard Rubinig zum Gedenken

Am 14. August 2004 würde Richard Rubinig 90 Jahre alt. Wer war dieser Voitsberger Notar, an den heute noch viele Menschen in der Weststeiermark wie auch in der Landeshauptstadt Graz denken, wenn von zeitgenössischer Kunst die Rede ist?

Rubinigs Name ist untrennbar verbunden mit dem Namen der Künstler, die mit ihm befreundet waren, deren Ausstellungen er eröffnete, deren Werke er interpretierte und sammelte.

Wie ist der Sohn eines Notars in Voitsberg zur Kunst gekommen? Nach dem Studium der Rechtswissenschaft und der Promotion in Wien studierte er in Rom und Camerino (Zentralapennin) Kunstgeschichte, reiste nach Paris und Spanien, schrieb Aufsätze für Zeitschriften, übersetzte Lyrik aus dem Italienischen und Spanischen, etwa von Federico Garcia Lorca. Dies alles prägte ihn, noch bevor sich österreich 1938 durch den Anschluss von der kulturellen Entwicklung der europäischen Moderne ausschloss. Als Soldat überstand Rubinig unbeschadet den Krieg. Danach begann er seine Tätigkeit in Voitsberg als Notar und beendete sie 1984. Am 2. März 1992 starb er.

Im Bezirk zählten vor allem Friedrich Aduatz und Gottfried Fabian zu Rubinigs Maler-Freunden. Er stand den Künstlern der Sezession Graz nahe, der er als Mitglied angehörte und deren Vizepräsident er lange Jahre gewesen war. Die Freundschaft mit Rudolf Pointner ist hervorzuheben; über ihn schrieb er eine Monographie (1974), in der er ihn als Surrealisten bezeichnete, der die Grundsätze der Pariser Schule befolgte: Bildhafte Inszenierung einer alogischen Welt, in der die Poesie regiert.

In Graz erinnern sich viele Künstler, Kunstfreunde, etwa Juristen und Mitarbeiter der Urania – für die er Kunstreisen organisierte – noch heute gerne an Rubinig, der regelmäßig die Buchhandlungen Lykam und Moser besuchte und ein Stammlokal in der Stempfergasse hatte. Als Kunstkritiker schrieb er in der Neuen Zeit, für den österreichischen Rundfunk, in den Steirischen Berichten und in der Zeitschrift Lichtungen.

Er war ein Vermittler, weil er Anteil nahm an den kreativen Menschen und an ihrem Leben. Bei den Machtkämpfen in der Sezession waren seine Objektivität und Sachlichkeit gefragt, doch er selbst konnte auch kämpferisch sein, wenn es darum ging, die von ihm geschätzten Künstler gegen ungerechtfertigte Angriffe in Schutz zu nehmen. Von heute aus, wo Reproduktionen von Paul Klee oder Wasilly Kandinsky in Arztpraxen und Anwaltsbüros hängen, ist es gar nicht mehr nachvollziehbar, dass im Jahre 1959 eine Ausstellung solch modernen, insbesondere abstrakter im Grazer Künstlerhaus, konzipiert von Wolfgang Schaukal, dem Direktor der Urania, wilden Angriffen ausgesetzt war. Die politische und kulturelle Restauration, mit der die Tageszeitung Südost Tagespost als Sprachrohr, wurde damals in die Schranken gewiesen durch den Philosophiedozenten Georg Jánoska der Grazer Urania, und den Kunstkritiker Dr. Richard Rubinig; für beide war das geistige in der modernen Kunst ein großes Anliegen, das Schöpferische im Menschen zu verstehen, zu seinem Recht kommen zu lassen. In einer vielbeachteten Veranstaltung ergriffen sie Partei für die Moderne. Bisher war nicht nur in der Provinz das Kunstverständnis des Publikums vom Naturalismus und von seinem Missbrauch durch die NS-Ideologie geprägt. Ich selbst habe als Kind noch den Ausdruck Surrealismusals Schimpfwort gehört für Kunst, die nicht Abbilder der Natur herstellte. In Rubinigs Worten: Die öffentlichkeit verhielt sich in ihrer Ratlosigkeit meist ironisch, wenn nicht gehässig; hier abzuhelfen, war sein Anliegen.

In unserem Bezirk war Rubinigs Wirken besonders verdienstvoll. Voitsberg und Köflach verstand er als Zwillingsstädte, verbunden durch gemeinsamen Pioniergeist. In Köflach schätzte er die Galerie des Arzt-Ehepaares Dr. Rosemarie und Dr. Walter Eder. Er eröffnete dort viele Ausstellungen und Lesungen. Dem Kulturamt Köflach war er dankbar für die Einrichtung des Köflacher Kunstpreises. Dies drückte er in vielen Ansprachen und und Artikeln immer wieder aus.

Der bedeutende Kenner heimischer und internationaler Kunst, Treibende Kraft einer öffnung der steirischen Kunst ins Internationale, Profunder Kenner der steirischen Moderne, wozu nicht nur seine Ausbildung als Kunsthistoriker, sondern auch seine wichtige Rolle als Anreger, Sammler, Publizist, Sezessionsmitglied und Rechtsberater der Künstler befähigte. Diese Zitate stammen aus dem Buch Moderne in dunkler Zeit, der Begleitpublikation der gleichnamigen Ausstellung in der Neuen Galerie in Graz.

Günther Eisenhut ging in jener hervorragenden übersicht über Widerstand, Verfolgung und Exil steirischer Künstlerinnen und Künstler 1933 bis 1945 ausführlich auf Rubinig als Freund der Künstler und Vermittler ihrer Kunst nach 1945 ein. Nicht nur über Pointner, Aduatz und Fabian, sondern auch über Ferdinand Bilger, Kurt Weber, Peter R. Oberhuber oder Franz Rogler schrieb Rubinig maßgebliche Texte. In Josef Unterholzers Denkmalen – Voitsberg und Köflach – fand er die Verkündigung der Tragödie einer zutiefst verwundeten Menschheit ohne militaristisches Pathos. Für die nachfolgenden Generationen seien exemplarisch der Metallbildhauer Gerhardt Moswitzer genannt (dessen Skulpturen er sowohl von ihrer Architektur her, als auch von ihrem Zeichencharakter, der Hintergründigkeit, beschreibt), sowie der Maler Franz Dampfhofer (über den er anmerkt: Zeichnen und Malen als Bekenntnis zum Dasein). Die umfassendste Darstellung der Kunst unserer Gegend findet sich in seinem öfter abgedruckten Aufsatz Von einem steirischen Bezirk und seinen Künstlern (1988/1995). Nicht besser wissen, sondern genauer verstehen lernen und lehren wollte er, vielleicht eine Fähigkeit, die er der Rechtswissenschaft verdankte.

Aber Rubinig wollte auch Maßstäbe setzen, Kriterien aufstellen. Er kannte die internationale Avantgarde ebensogut wie die heimischen Meister, er ging nicht nach der Berühmtheit der Namen, sondern nach seinem eigenen Sinn für Qualität. In seine Arbeiten über Maler wie Günter Waldorf, Franz Roupec, Mario Decleva oder den Bildhauer Fritz Hartlauer ist es nachzulesen. In einem Aufsatz zur Würdigung des italienischen Futurismus hob er hervor, dass diese Richtung nicht nur eine gestalterisch-ästhetische Bewegung sei, sondern dass es deren Künstlern auch um Lebensprobleme ginge. Diese Integration war wohl ganz in seinem Sinne.

Ein Bereich ist noch zu erwähnen: die Literatur. Auch hier war österreich abgeschnitten gewesen, ein Brachland im Jahr 1945, denn die Vertreter der Moderne waren vertrieben. Rubinig hatte schon vor der NS-Zeit die surrealistischen Autoren – Franzosen wie Paul Eluard und André Breton und auch Hans Arp – kennengelernt. Um 1950 begegnete er dem Grazer Juristen Max Hölzer, Richter in Voitsberg und Verfasser von Lyrik, der als Herausgeber der Surrealistischen Publikationen (1950 und 1953) österreichische und französische Lyrik veröffentlichte und den er unterstützte und förderte. Rubinig machte schon früh auf die großartigen Dichtungen von Paul Celan aufmerksam, der nach den Verfolgungen vom Balkan über Wien nach Paris gegangen war und dort in deutscher Sprache schrieb.

Heute sind die Möglichkeiten, sich zu informieren, unvergleichlich größer; vor 50 Jahren war dies nicht so leicht, es brauchte viel mehr Anstrengung. Rubinig nahm sie auf sich und wurde dafür 1979 mit der Verleihung des Professorentitels geehrt. Er war spartenübergreifend interessiert. Eine umfassende Bibliothek zu Kunst und Literatur, sowie eine große Kunstsammlung resultieren daraus.

In dem schon genannten Buch Moderne in dunkler Zeit (2001) schrieb Sebastian Bilger über Richard Rubinig: Er war ein ungeheuer gebildeter, kunstbegeisteter Mensch, Integrationsfigur für die Sezession Graz, ein idealer Katalysator, und er hebt die produktive Spannung zwischen der bürgerlichen Lebensform und den eigentlichen weitgesteckten Ambitionen des Mannes hervor, der vor zwölf Jahren gestorben ist und eine schmerzliche Lücke hinterlassen hat.

Für die Aktion Provinz – Weststeiermark:
Dr. Hedwig Winkler, Köflach
aus der Weststeirischen Volkszeitung vom 30. Juli 2004

Und es hätte alles keinen Sinn, hätte man nicht wenigstens die Unendlichkeit vor sich.

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