Eine Sezession wird gegründet von Wilhelm Thöny (1930?)
Vereinschronik über die Jahre 1923 - 1938(Seite»2»3»4»5»6»7»8)
von Margit Fritz-Schafschetzy und Wolfgang Silberbauer (1993)
Chronik der Sezession Graz(Seite »2»3»4»5»6»7»8)
von Trude Aldrian (1973)
Salut zum Siebziger! von Heribert Schwarzbauer (1993)
1923 wurde die Grazer Sezession
innerhalb des steiermärkischen Kunstvereins gegründet. Ihr Bestreben war es, gegen den vorherrschenden Konservatismus innerhalb der steirischen Kunst anzukämpfen, und neue künstlerische Strömungen auch in Graz durchzusetzen.
Infolge der regen Veranstalungstätigkeit, die sich auch auf gesellschaftliche Bereiche ausdehnte, hatte die Sezession bald eine zentrale Stellung innerhalb des steirischen Kunst- und Kulturlebens eingenommen.
Den Beschluss einer Sezessionsgründung fasste man anlässlich der Jahresausstellung des steiermärkischen Kunstvereins im Herbst 1923, an der neben den Vereinsmitgliedern - zu denen unter anderen ehemalige Freiland-Künstler
zählten - auch die kurz zuvor aus dem Ausland nach Graz zurückgekehrten Maler Wilhelm Thöny und Alfred Wickenburg teilnahmen. Die Idee und der Entschluss alle gleichgesinnten Künstler in einer eigenen Interessengemeinschaft zusammenzufassen, stammte von Fritz Silberbauer, der bereits 1919 bei der Gründung des Werkbundes Freiland als treibende Kraft gewirkt hatte. Auch die übrigen Maler, die sich an einem Novemberabend des Jahres 1923 im Atelier Wilhelm Thönys zu einer Besprechung zusammengefunden hatten, in deren Verlauf die Grazer Sezession
gegründet wurde, waren alle, außer Wilhelm Thöny und Alfred Wickenburg ehemalige Mitglieder des Werkbundes Freiland. Namentlich waren das Erich Hönig-Hönigsberg, Igo Klemencic, Dr. Axl Leskoschek, Paul Schmidtbauer und Hanns Wagula.
Wilhelm Thöny, der dank seiner Beteiligung an der Gründung der Neuen Münchner Secession
(1913) über die nötige Erfahrungen und Beziehungen im Ausland verfügte, wurde zum ersten Präsidenten der Sezession gewählt Thöny übte dieses Amt bis zum Jahre 1931, also bis zu seiner Übersiedlung nach Paris - die als frühzeitige Emigration aufzufassen ist - aus. Zum Vizepräsidenten ernannte man Fritz Silberbauer.
Dieser ersten Aussprache folgten wöchentliche Zusammenkünfte, die zuerst in der Sauren Frau
, einem Gasthaus in der Bürgergasse, dann im Prälatenstübchen des Admonderkellers und dann später im Hotel Wiesler stattfanden. Dr. Herbert Wiesler, der Schwager von Hanns Wagula, stellte für zahlreiche Veranstaltungen der Sezession die Räumlichkeiten zur Verfügung. Wiesler gehörte bald selbst zum Freundeskreis der Sezessionisten, in deren Vereinsausschuss er im Jahre 1928 auch als Kassaprüfer angeführt wird. Bald traten der Sezession auch der aus Tirol stammende Bildhauer Hans Mauracher, der seit 1919 in Graz lebte, und Major Gustav von Scheiger bei, wobei letzterer bereitwillig die Aufgabe des Vereinssekretärs übernahm. Scheiger übte dieses Amt auch nach dem zweiten Weltkrieg bis zu seinem Austritt aus der Sezession im Jahre 1953 weiter aus.
Ziel des neuen Vereins war es, qualitätvolle avantgardistische Kunst zu schaffen und zu fördern und dabei den weit verbreiteten Dilettantismus zu bekämpfen. Aus diesem Grunde wollte man auch selbst in vorbildhaften Ausstellungen hochwertige Arbeiten moderner Kunst präsentieren. Dabei sollte jedoch kein einheitliches künstlerisches oder stilistisches Programm vorgegeben werden. Allein die Qualität der Werke müsste über die Aufnahme des jeweiligen Künstlers in die Vereinigung entscheiden.
Diese offene und tolerante Haltung jeglichen modernen Kunstströmungen gegenüber hatte auch zur Folge, dass sich Persönlichkeiten mit den unterschiedlichen künstlerischen aber auch weltanschaulichen Grundhaltungen, die aber alle dasselbe Ziel verfolgten, nämlich qualitätvolle zeitgemäße Kunst hervorzubringen, in der Sezession Graz zusammenschlossen.
Neben dem Wunsch, eine zukunftsweisende Kunst zu schaffen, strebte die Sezession auch vermehrt Kontakte mit auswärtigen Künstlern an, um aus der geistigen und künstlerischen Isolation der Provinzstadt auszubrechen
Trotz der progressiven Kunstauffassung der Grazer Sezessionisten war es zu keinem vehementen Bruch mit dem bestehenden Verband, in diesem Fall mit dem steiermärkischen Kunstverein gekommen. Im Gegenteil: die Sezession gehörte ihm bis 1926 als Teilverband an.
Ein Grundsatz der Grazer Sezessionisten lautete, nur dann mit einer Ausstellung an die Öffentlichkeit zu treten, wenn sie wirklich dem Publikum etwas mitzuteilen hätten. Durch dieses Prinzip wollte man den Fehler der bereits bestehenden Vereinigungen vermeiden, die zweimal jährlich Ausstellungen veranstalteten, in denen sie selten etwas Neues zu bieten hatten und deshalb beim Beschauer allzuoft eine Ausstellungsmüdigkeit hervorriefen.
Daher fand auch die erste eigene Sezessionsausstellung erst nach eingehender Vorbereitung im November 1924 statt
Diese Ausstellung, die vier Wochen dauerte, wurden von mehr als 3000 Personen gesehen. Obgleich sämtliche Grazer Mitglieder bereits schon vorher an diversen Ausstellungen teilgenommen hatten, und daher nicht mehr gänzlich unbekannt waren, löste diese Veranstaltung heftige Diskussionen innerhalb der steirischen Kunstszene aus.
Am stärksten war Alfred Wickenburg, der sich unter anderem mit seinen Bildern Liebespaar
, Diana und Aktäon
, Narziß
sowie Rinaldo und Armida
dem Publikum präsentierte, und der wohl als jener Künstler angesprochen wurden, der sich in seinen Werken am intensivsten mit internationalen avantgardistischen Strömungen auseinandergesetzt hatte, ins Kreuzfeuer der Kritik geraten. So verarbeitete er neben stilistischen Elementen der Pittura Metafica auch Formen eines persönlich geprägten Kubismus.
Seine fortschrittliche Kunstauffassung, die zu dieser Zeit nicht nur im steirischen Kunstschaffen, sondern auch im gesamtösterreichischen Bereich durch seine neuen Ansatzpunkte eine gesonderte Position einnahm, wurde damals vom Großteil der Kunstinteressierten noch nicht verstanden.
Die meisten konnten aufgrund der für sie neuartigen und ungewohnten, künstlerischen Ausdrucksweise die Darstellungen der Bilder nicht erkennen. Vielfach bezeichnete man Wickenburgs Werke als abstrakte Kompositionen, obwohl der Maler nie den Rahmen der gegenständlichen Kunst verlassen hatte.
Der Einzige unter den Grazer Kulturjournalisten, der Wickenburgs Leistung bereits damals erfasst hatte und diese auch entsprechend würdigte, war Ernst Fischer vom Arbeiterwillen. Von ihm erschien am 11. November 1924 zur ersten Ausstellung der Sezession Graz im Arbeiterwillen eine Besprechung, in der er Wickenburgs Arbeiten als imponierende Konstruktionen
bezeichnete, von denen denen sich die Grazer kopfschüttelnd abwenden werden, ohne die strenge Schönheit und männliche Konzentration dieser Bilder zu entdecken
. Weiters meinte er, man müsse den Kubismus als zeitbedingte Reaktion auf andere Ausdrucksformen ansehen.
Kritik äußerte jedoch auch Fischer an den Titeln der Bilder, da er darin eine Konzession an das Publikum zu sehen vermeinte. Ebenfalls am Bildtitel Diana und Aktäon
stieß sich Bruno Ertler vom Neuen Grazer Tagblatt, indem er erklärte, dass eine solche Bezeichnung den Ausstellungsbesuchern stets zum gegenständlichen Schauen veranlasse, was jedoch sicherlich nicht in der Absicht des Malers liegen könne.